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March break mit Corona

In den letzten Wochen haben die Internationals und ich die Corona Entwicklungen in Europa natürlich mit starkem Interesse beobachtet. Besonders meine Mitschülerin aus Norditalien war sehr besorgt und wir versuchten sie so gut es ging (psychisch) zu unterstützen. Wir hätten aber nie gedacht, dass unser Leben bald genau so eingeschränkt sein würde wie in Europa.

Als mein Gastvater dann seine geplante Auslandsreise absagte hielt ich das zunächst für eine Überreaktion, inzwischen finde ich dies jedoch völlig gerechtfertigt.

 

In der Woche vor den Ferien (diese waren vom 14.3.- 22.3.) wurden wir in den Morning Announcements zwar darum gebeten immer unsere Hände zu waschen, wir belächelten dies jedoch eher (und wuschen unsere Hände). Am Freitag vor den Ferien gab es in Nova Scotia schon die ersten bestätigten Coronafälle, am Anfang wurde in hier jedoch relativ wenig getestet, weshalb die Zahlen wenig aussagekräftig waren. Zwei Tage später kam dann die Nachricht, dass die Schulen in Nova Scotia für mindestens zwei weitere Wochen nach dem March Break geschlossen bleiben würden. Ab dann lief alles sehr schnell. Alle "not essential stores" schlossen und der öffentliche Nahverkehr wurde eingeschränkt (und kostenlos-oder anders gesagt: man kann keine Tickets mehr kaufen und nur noch hinten einsteigen, um die Busfahrer*innen zu schützen). 

Seit einer Woche ist jetzt alles noch ein bisschen schwieriger. Nachdem meine Ferienpläne wegen der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen wie Ladenschließungen und Abstandsregelungen ins Wasser fielen, waren meine neuen Pläne viel spazieren zu gehen und die Trails in meiner Nähe zu erkunden. Das habe ich in der letzten Woche dann auch gemacht. An manchen Trails war es ziemlich voll (teilweise 15 Autos auf dem Parkplatz) und deshalb schwer die Abstandsregelungen einzuhalten. Die meisten Leute versuchten jedoch durch große Bögen den Abstand zu allen Leuten möglichst groß zu halten.

Das ist jetzt leider auch nicht mehr möglich, da alle Wanderwege und öffentlichen Parks geschlossen wurden.  


In den Läden sind jetzt überall Kreuze vor den Kassen (sie signalisieren, wo man stehen soll), um den Abstand zwischen den Anstehenden groß, und damit die Ansteckungsgefahr klein, zu halten. Und auch Bargeld wird kaum noch angenommen, um den Austausch von Viren über herumgereichtes Geld zu minimieren.


Auch hier beginnen jetzt viele Leute mit Hamsterkäufen- die Klopapier und Dosenregale sind auffallend leer. Um dem entgegenzuwirken, darf jede*r seit ein paar Tagen nur noch eine begrenzte Menge an Klopapier, Dosen, Reis etc. kaufen.

Um mich herum verlieren immer mehr Menschen ihren Job.  Menschen die fest im Leben standen und jetzt plötzlich mit Existenzängsten zu kämpfen haben, die nicht wissen wo das Geld für die nächsten Tage und Wochen herkommen soll. Ich unterhielt mich zum Beispiel mit einer Friseurin und einer Frau im Post-Office, die beiden sagten sie würden von Tag zu Tag gucken und wüssten nie ob sie am nächsten Tag noch zur Arbeit kommen könnten. Wenn nicht wüssten sie auch nicht wo hin. 

Für mich ist die Situation natürlich schwierig. Ich bin in einem "fremden" Land, weit weg von Familie und Freunden. Vor den Ferien war ich gerade dabei mich einzuleben. Die Tagen wurden immer mehr zur Routine und ich fing an Freundschaften zu knüpfen und Nachmittagsaktivitäten wie z.B. Lacrosse zu finden. Jetzt ist das alles erst einmal auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.

In den ersten Tagen nach den Schließungen hatte ich kaum etwas zu tun, war unmotiviert überhaupt rauszugehen, "da ja sowieso alle schönen Trails gesperrt" seien. Nach ein paar Tagen wurde es besser, aber ich bin immer noch verwirrt und fühle mich machtlos gegenüber meiner Situation- mal mehr, mal weniger.

Ich finde es krass, wie so ein kleiner Erreger das Leben von Millionen von Menschen innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt hat. Am Anfang wurde er von noch ignoriert, klein geredet, nicht ernst genommen. So lange bis er direkt vor unseren Nasen ankam und uns ein wenig die Augen öffnete. Für eine Weltweite Krise mit der Menschen aus China schon länger zu kämpfen hatten. Dafür, dass auch unser Gesundheitssystem Grenzen hat, dafür wie sehr wir all unsere Ärzt*innen, Verkäufer*innen, Pfleger*innen besonders in einer solchen Situation brauchen.

Die Auswirkungen dieser Krise werden die  Welt höchstwahrscheinlich noch lange verfolgen. Ich hoffe aber, dass ich im Nachhinein auch etwas aus dieser schweren Zeit, die von Angela Merkel als die größte Herausforderung  seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet wird, mitnehmen werde. Dass ich gestärkt und nicht geschwächt aus dieser Situation hinausgehe und auch die wenigen positiven Aspekte sehen kann. 

Ich kann an meiner Situation wenig verändern, versuche aber irgendwie das Beste draus zu machen...

 

Nachtrag vom 29.3.

Ich hatte jetzt zwei Wochen keine Schule. Es ist immer noch schwer, aber mir hat es geholfen mit Freunden und Familie in Deutschland zu sprechen (vor allem, da ich mich nicht in der Lage fühle all meine Gedanken, Sorgen, Fragen zu dem Thema auf Englisch zu äußern). In den ersten Tagen habe ich mich oft unproduktiv gefühlt, egal wie viel ich gemacht habe und wie viel ich draußen war. Jetzt habe ich angefangen mir meinen Tag zu strukturieren und zu planen was ich wann mache. Und auch obwohl ich eigentlich eher unstrukturiert bin und nicht viel von Routinen halte, gibt mir das ein besseres Gefühl. 

Ich habe gemerkt dass die Tage an denen ich nicht draußen war mir nicht gut getan haben, deshalb  gehe ich jetzt jeden Tag raus- egal ob ich motiviert bin oder nicht. Sobald ich draußen bin kann ich ein bisschen entspannen und nachdenken. Die neue Ansage ist man solle sich nur noch in der Nachbarschaft aufhalten, deshalb schrumpfen meine geplanten langen Touren zu kleinen Spaziergängen. Es ist manchmal ein bisschen stressig allen Leuten aus dem Weg zu gehen, da es in den letzten Tagen relativ voll draußen war. Insgesamt ist es aber eine mehr oder weniger nette Atmosphäre: alle Leute Grüßen sich- wir sind schließlich alle in derselben Situation und versuchen durch kleine Gesten unseren Beitrag zu leisten.

Es ist lustig wie relativ alles ist. Vor drei Wochen schien alles noch so weit weg. Vor zwei Wochen war ich traurig darüber, dass all unser March Break Programm abgesagt wurde und jetzt fällt es mir schwer aus dem Haus zu kommen.

Noch kann ich wohl in Kanada bleiben. Einige Austauschschüler*innen in meiner Umgebung sind jedoch schon zurückgeschickt worden. Eine Bekannte von mir, die seit letztem Sommer in Kanada ist, wurde von ihrem Programm nach Hause geschickt (da die Provinz besonders viele Coronafälle hat), auch die beiden Spanischen Austaschschüler*innen an meiner Schule befinden sich gerade auf dem Rückweg, da Spanien all seine Austauschschüler*innen zurückholt.

Es gibt wohl keinen richtigen Umgang mit einer solchen Situation, aber ich hoffe, dass sich möglichst bald alles findet und diese Ausnahmesituation bald zu Ende ist.